Die Ukraine in der Krise

Bintje

Well-Known Member

Alubehütet

Well-Known Member
Rußland ist nicht die Sowjetunion. Schon lange nicht mehr.

Wie die Damen diskutiert haben: Baker bot an, auf eine NATO-Osterweiterung zu verzichten, Genscher war gegen Kohl sogar vehement dafür, das zu tun. Die Sowjetunion aber war restlos pleite. Darum hat Gorbatschow nicht darauf insistiert, einen Verzicht einer solchen Erweiterung in den 2+4-Vertrag hineinzuschreiben; er brauchte das Geld.


Seitdem hat Putin Rußland in einem schon abstrusen Maße heruntergerockt. Wenn die Schwellenländer China, Indien, Türkei, Brasilien zu Beginn dieses Jahrtausends ein Jahrzehnt erlebten mit Wachstumsraten von teilweise sogar über 10%, stagnierte Rußland vor sich hin. Und das ist nur der Anfang, weil Putin Rußland vollkommen abhängig gemacht hat von westlicher Technologie, westlichem Knowhow, anstatt sich da auch von China und Indien beliefern zu lassen. Wie wir gesehen haben, werden selbst die NordStream-Turbinen in Kanada gewartet. In Kanada!



Paul Ronzheimer hatte auf Twitter mit Norbert Röttgen einen interessanten beef, woraufhin sie sich in seinem Podcast mal ausgesprochen haben. Ronzheimer hat sich, wohl nicht nur von Röttgen, inzwischen überzeugen lassen:

Die EU hat eine Wirtschaftsmacht 7x so groß wie Rußland. Selbst wenn die USA unter Trump ein Totalausfall werden, wäre es möglich, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen. Wenn denn der politische Wille da wäre. Stattdessen deckt man noch nicht einmal die Industrie mit genügend langfristigen Aufträgen ein, daß es rentabel wäre, neue Produktionsstraßen für die Produktion von Munition hochzuziehen. Joe Biden wird der letzte Präsident sein, dem Europa noch wichtig ist. Künftig werden die USA über den Pazifik schauen, nicht mehr über den Atlantik. Europa kann und muß eine Europäische Verteidigungsunion aufbauen. Rußland ist so ein Bettvorleger geworden, den kann Europa auch ohne die USA in Schach halten, und zwar locker. Wenn es denn will und endlich den Hintern hochkriegt. Und die Amis haben doch recht? Warum sollen sie Abermilliarden hineinpumpen in eine Ukraine, von derdie wenigsten US-Bürger wissen, wo die überhaupt liegt? Das ist Europas Problem.
 
Zuletzt bearbeitet:

Alubehütet

Well-Known Member
Bei Sarotte fand ich u.a. die Aussage interessant, Putins orientiere sich wie ein Besessener an Geschichtsdaten.
Ich fand auch die Spekulation interessant, daß der einen massiven Corona-Koller hat. Weil das unter anderem auch Frau Merkel so vorgetragen hat, und ich denke, die wird immer noch sehr gute Quellen jenseits der Tagespresse haben.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Mary Sarotte, einer Historikerin von der in Washington/Usa beheimateten John Hopkins University
Die hat über Jahrzehnte immer wieder mal gewerkelt an ihrem Buch über den Fall der Mauer; immer, wenn Archive geöffnet, deklassifiert wurden, war sie zur Stelle. Ist also so etwas wie ein Hauptwerk von ihr. Jetzt ist das eine der ersten Historikerarbeiten zum Thema, das also rein auf Quellenforschung beruht, und nicht auf persönlichen Erinnerungen Beteiligter. Das Buch kam letztes Jahr dann raus zur richtigen Zeit, wurde ein viel beachteter und besprochener Knaller.

Hier ein Interview mit der taz:
wochentaz: Frau Sarotte, Sie haben sich als Historikerin intensiv mit der Geschichte der Nato-Osterweiterung und dem Zerbrechen des Warschauer Pakts beschäftigt. Gibt es etwas, das sie dabei besonders überrascht hat? Mary Elise Sarotte: Die Bedeutung der Ukraine. Als ich anfing, an meinem Buch über die Nato-Osterweiterung zu arbeiten, habe ich zunächst gedacht, dass es sich um Polen, Ungarn, Tschechien, die baltischen Staaten drehen werde. Die sind jetzt auch alle drin. Aber die Mächtigen haben damals ganz früh gesagt, sinngemäß: Der Frieden in Europa hängt von der Ukraine ab. Aus heutiger Sicht ist es verblüffend, diese Einsicht in den historischen Quellen zu lesen.

Ausführlich wird das dann durchdiskutiert in diesem sehr hörenswerten Podcast mit ihr und Thomas Wiegold, Ulrike Franke, Frank Sauer und Carlo Masala.
 

Msane

Well-Known Member
Major ist richtig gut, ja, das hat immer Hand und Fuß. Bei Sarotte fand ich u.a. die Aussage interessant, Putins orientiere sich wie ein Besessener an Geschichtsdaten. Eine Vermutung, die ich hier ja auch kürzlich mal geäußert habe. Natürlich klingt das erstmal nach Glaskugel, aber wer gewöhnt ist, sich z.B. mit Strukturen der rechten Szene zu beschäftigen, findet schnell solche Muster. Und zu Putin würde es ebenfalls passen.
Ich fand u.a. interessant, dass er auch nach Sarottes Meinung offenbar tatsächlich so verquer tickt. Keineswegs beruhigend.

Was deine Kritik an Luftschlössern betrifft: Jein, @Msane . Sarottes Entwurf klang für mich ziemlich abgefahren; ich kann mir nicht vorstellen, dass es mit einem Teil-Nato-Beitritt funktionieren würde (geschweige denn das deutsche Modell überhaupt übertragbar wäre -). Einen starken Punkt hatte sie in meinen Ohren aber mit dem Argument, Putin dadurch ein ganz klares Signal zu setzen: Bis hierhin - und keinen Zentimeter weiter!
Die Frage ist natürlich, ob und wie das umsetzbar ist, und da finde ich deine Überlegungen sehr realistisch.

Hilft nix, ich habe aus dem Gespräch mitgenommen, dass die Lage schlecht ist und noch sehr viel schlechter werden kann. Dazu gehört neben fehlender Ausrüstung, fehlenden Soldaten, Geld und Munition seitens der UA nicht nur Pech, sondern leider auch Wählerentscheidungen in Übersee.
Zudem haben wir einen Kanzler, dessen Führungs- bzw. Entscheidungsschwäche m.E. unübersehbar ist und anscheinend nur ihm nicht einleuchtet. Ich weiß nicht, wie du es wahrgenommen hast: Die blitzgescheite Claudia Major, exzellent präpariert wie immer, habe ich noch nie so gedämpft erlebt.

Ich sags mal ganz rational.

Aufgabe der NATO ist es in einem gegenseitigen Beistandspakt die Sicherheit seiner Mitglieder zu bewährleisten.

Es ist nicht die Aufgabe der NATO, außenstehende Länder aufzunehmen, damit die ihre kriegerischen Konflikte mit ihren Nachbarn von
der NATO gelöst bekommen.

Wir können die Ukraine im Rahmen der internationalen Gesetze mit militärischen Mitteln unterstützen,
aber eine Aufnahme in die NATO ist ausgeschlossen, das findet einfach nicht statt, egal wie laut
dafür in Talkshows getrommelt wird.

Mir ist bewusst das man das hier nicht lesen will aber so ist halt die Realität.


.
 

EnRetard

Well-Known Member
Ich sags mal ganz rational.

Aufgabe der NATO ist es in einem gegenseitigen Beistandspakt die Sicherheit seiner Mitglieder zu bewährleisten.

Es ist nicht die Aufgabe der NATO, außenstehende Länder aufzunehmen, damit die ihre kriegerischen Konflikte mit ihren Nachbarn von
der NATO gelöst bekommen.

Wir können die Ukraine im Rahmen der internationalen Gesetze mit militärischen Mitteln unterstützen,
aber eine Aufnahme in die NATO ist ausgeschlossen, das findet einfach nicht statt, egal wie laut
dafür in Talkshows getrommelt wird.

Mir ist bewusst das man das hier nicht lesen will aber so ist halt die Realität.


.
Das ist doch schon vor 2 Jahren abgefrühstückt worden. Die NATO nimmt keine Staaten auf, die gerade in bewaffnete Konflikte verwickelt sind. Mal abgesehen davon, dass mindestens Ungarn und die Türkei die UA niemals nie nicht aufnehmen würden. Wer die Ukraine schützen will, kann bilaterale Beistandsverträge mit ihr abschließen und das auch im Rudel tun, wenn's für nötig und sinnvoll gehalten wird.
 

Bintje

Well-Known Member
Ich sags mal ganz rational.

Aufgabe der NATO ist es in einem gegenseitigen Beistandspakt die Sicherheit seiner Mitglieder zu bewährleisten.

Es ist nicht die Aufgabe der NATO, außenstehende Länder aufzunehmen, damit die ihre kriegerischen Konflikte mit ihren Nachbarn von
der NATO gelöst bekommen.

Wir können die Ukraine im Rahmen der internationalen Gesetze mit militärischen Mitteln unterstützen,
aber eine Aufnahme in die NATO ist ausgeschlossen, das findet einfach nicht statt, egal wie laut
dafür in Talkshows getrommelt wird. (...)
Ja, das ist klar. Die Konstruktion, die Sarotte skizziert hatte, beruht ja de facto auf einer Teilung der Ukraine. Was voraussetzt, dass die UA die von Ruzzland besetzten Landesteile vorübergehend abtreten/aufgeben und vom politischen Anspruch wie eine 2. Ukraine behandeln müsste, während der westliche, (noch..) nicht von RUS besetzte Teil sofort in die Nato und EU aufgenommen werden sollte. Das war ihr Gedanke, wie ich sie verstanden hatte.
So gesehen - und nur so! - ergab der merkwürdige Vergleich mit Westdeutschland und der DDR auch Sinn.
Aber das setzt alles erstmal Verhandlungen voraus, die überhaupt nicht in Sicht sind, und ausgesprochen fiktiv und illusorisch klang es außerdem.
Als habe sie sich zu sehr in ihr eigenes Gedankenspiel verliebt.
 

Bintje

Well-Known Member
Die hat über Jahrzehnte immer wieder mal gewerkelt an ihrem Buch über den Fall der Mauer; immer, wenn Archive geöffnet, deklassifiert wurden, war sie zur Stelle. Ist also so etwas wie ein Hauptwerk von ihr. Jetzt ist das eine der ersten Historikerarbeiten zum Thema, das also rein auf Quellenforschung beruht, und nicht auf persönlichen Erinnerungen Beteiligter. Das Buch kam letztes Jahr dann raus zur richtigen Zeit, wurde ein viel beachteter und besprochener Knaller.

Hier ein Interview mit der taz:


Ausführlich wird das dann durchdiskutiert in diesem sehr hörenswerten Podcast mit ihr und Thomas Wiegold, Ulrike Franke, Frank Sauer und Carlo Masala.
Super!, das klingt sehr interessant, danke Dir. :) Bisher war das völlig an mir vorbeigeflimmert.
 
Top