Die Ampelkoalition

Alubehütet

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Deshalb irritierte mich auch Berfins Satz. Denn den hatte ich juristisch konnotiert aufgefasst: Klar, denn sie schrieb von verwirkten Rechten (Mehrzahl) - Habeck dagegen von einem Anspruch auf Toleranz (andere Kategorie), den unterlaufe, wer sich sinngemäß nicht im Umgang mit anderen danach richte. Es geht imho um einen Eigenanspruch, den man selbst nicht erfüllt oder zu erfüllen bereit ist: Aus meiner Sicht ein moralischer Appell, auch wenn ich hier offenbar die Einzige bin, die das so sieht und auch deshalb faule Äpfel und Tomaten einzustecken bereit sein soll
Ok, jetzt habe ich deinen Punkt endlich verstanden :) – ... glaube ich.

Meine Interpretation war, Habeck habe hier zwei Kategorien unzulässig miteinander vermengt; die des Rechtes mit unveräußerlichen Menschenrechten, und die einer politischen Gemeinschaft, einer Gesellschaft, der Gemeinschaft eines politischen Diskurses, deren Teilhabe nicht nur Rechte mit sich bringt, sondern auch Pflichten; Du nennst es eine Frage der Moral. Moral ist etwas anderes als Recht. Moralisch kann ich verlangen, was rechtlich nicht erzwingbar ist. Fordere ich nicht nur vom Staat ein, meine Gotteshäuser zur Not polizeilich zu schützen, eine Rechtsebene, sondern von all meinen Mitdiskutanten, sich einzusetzen für ein Klima, in dem das hoffentlich immer weniger nötig sein wird, dann bin ich auf einer moralischen, politischen, juristisch nicht einklagbaren Ebene verpflichtet, mich genauso einzusetzen für dieselben Rechte anderer. Auf der rein rechtlichen Ebene, Kategorie, hätte, hat Fischer Recht. Ich muß nicht, um Klischees zu bemühen, von jedem türkischen Gemüsehändler oder AfD-Dorfkneipennazi das Existenzrecht Israels einfordern oder das Recht, anderen zuzuerkennen, öffentlich Jehova oder Allah oder das Fliegende Spaghettimonster zu verehren. Von AfD-Vorsitzenden oder Vorsitzenden des ZDM allerdings schon, um den Preis, daß ich sie sonst politisch nicht mehr ernstnehmen brauche. Sogar sollte. Das wäre kein juristisch erzwingbare Position, auch nicht erzwingbar durch Verweigern von dann nur konditional, dann „verwirkten“ Rechten, aber diskursmoralisch sanktionierbar. Hier verwirken Muslime kein juristisches Recht auf den Schutz ihrer Religion/Gotteshäuser, da ist Fischer in jedem Fall im Recht, auf einer anderen Ebene aber verspielen sie einen Teil ihrer Autorität in der gesellschaftlich-politischen Teilhabe an einer Debattengemeinschaft. Wenn wir uns hier in dieser Frage nicht einig sind in der unbedingten Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgern und dem offensiven, öffentlichen Eintritt auf deren freie Religionsausübung, auch gegenüber den eigenen Followern, was eine radikale Veruteilung einschließt aller Anschläge auf ihre Gotteshäuser, dann werden wir als Staat zwar weiterhin unsere Pflichten euch gegenüber erfüllen. Müssen. Aber das war es dann auch.

Mir schien das von Habeck nicht sauber getrennt, zuende gedacht, ausdifferenziert. In meiner Wahrnehmung, nacher lese ich zum xten-Mal noch einmal den Otext genau, hatte er das miteinander vermengt.


Du trennst von vorneherein: Habecks „Anspruch unterlaufen“ sei eben von vorneherein eine ganz andere Ebene als @Berfin1980s „Rechte verwirkt“. Dann hätte Fischer Habeck argumentativ auf ein Feld gezerrt und auf diesem dann nur scheinbar widerlegt, auf das der sich gar nicht begeben habe. Dann haben wir beide in der Tat bzw. ich an Dir vorbeigeredet.


Wow. Denke ich drüber nach. Vielleicht bleibst Du nicht „die Einzige, die das so sieht“.
 
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Bintje

Well-Known Member
Du trennst von vorneherein: Habecks „Anspruch unterlaufen“ sei eben von vorneherein eine ganz andere Ebene als @Berfin1980s „Rechte verwirkt“. Dann hätte Fischer Habeck argumentativ auf ein Feld gezerrt und auf diesem dann nur scheinbar widerlegt, auf das der sich gar nicht begeben habe. Dann haben wir beide in der Tat bzw. ich an Dir vorbeigeredet.
Ja, genau so meinte ich das, und ziemlich genau so hatte ich das auch am Anfang der Fischer-Debatte in #834 beschrieben: Dass er da meiner Ansicht nach einen Popanz, ein Schein-Argument aufgebaut hat, um es umso lustvoller zu zerlegen. Kann man machen. Finde ich aber enttäuschend schmalspurig, durchsichtig. Zumindest lässt er andere Lesarten und Auslegungen gar nicht zu. Und es liegt offenbar im Trend. ;)
 
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EnRetard

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dass Habeck m.E. nicht juristisch argumentiert hat. Weswegen "unterlaufen" mit "verwirkt" gleichzusetzen m.E. eine total überzogene Interpretation war.
Natürlich hat er nicht juristisch argumentiert, denn juristisch hätte er keinen Honig aus der Sache saugen können. Er diffamiert indirekt. Nicht plakativ, sondern schmackhaft gemacht fürs grünkartoffelige, philosemitische Publikum, die deutsche Linksbourgeoisie, die auch ihre Vorurteile gegen Muslime hat, sich aber gönnerhaft tolerant vorkommt, solange die Muslime als solche eben dafür sorgen, dass kein Muslim juden- und israelfeindlich hetzt, und falls das nicht möglich ist, sich in zufriedenstellender Weise davon distanziert. Sonst müssen die Grünkartoffeln keine Toleranz mehr üben, und wenn die es nicht tun, die anderen Kartoffeln tun es erst recht nicht.
 

Alubehütet

Well-Known Member
solange die Muslime als solche eben dafür sorgen, dass kein Muslim juden- und israelfeindlich hetzt, und falls das nicht möglich ist, sich in zufriedenstellender Weise davon distanziert
Was daran ist falsch? An der moralischen Aufforderung, den Appell? :oops: An die muslimischen Verbände zu fordern, ihre moralische Autorität einzusetzen dafür, daß kein Muslim juden- und israelfeindlich hetzt? Und wenn man diese Autorität nicht moralisch durchsetzen kann und dennoch von Muslimen juden- und israelfeindlich gehetzt wird, was ist falsch daran, dann offizielle Verbände, mögliche Autoritäten dazu aufzufordern, sich in zufriedenstellender Weise wenigstens davon zu distanzieren?

Soll das jetzt antimuslimischer Rassismus sein? Dazu aufzufordern? Dein Ernst?
 
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Bintje

Well-Known Member
Was daran ist falsch? An der moralischen Aufforderung, den Appell? :oops: Seine moralische Autorität einzusetzen dafür, daß kein Muslim juden- und israelfeindlich hetzt? Und wenn man diese Autorität nicht moralisch durchsetzen kann und von Muslimen juden- und israelfeindlich gehetzt wird, was ist falsch daran, offizielle Verbände, mögliche Autoritäten dazu aufzufordern, sich in zufriedenstellender Weise davon zu distanzieren?

Soll das jetzt antimuslimischer Rassismus sein? Dazu aufzufordern? Dein Ernst?
Das insinuiert er zumindest die ganze Zeit. Und wer das quatschig findet, kann nur intolerante Grünkartoffel, noch intolerantere Kartoffel oder dumme, verblödete Bintje sein (geht immer). Oder ein Aluhut. ; )
Das Problem bei dieser Frage ist aus seiner Sicht womöglich, dass Habeck m.W. weder Muslim noch BPoC, sondern einfach völlig unspektakulär an der Ostsee geboren und weiß ist - und zudem (Frechheit aber auch!) einer Partei angehört, die E.R. sowieso gefressen hat. Irgendwie so. Wäre aber ungefähr so sinnig wie das Auftrittsverbot von FFF für Ronja Maltzahn wegen Dreadlocks und angeblicher "kultureller Aneignung" in Hannover. *Ironie off*
 

Alubehütet

Well-Known Member
Noch einmal.nachgefragt, auf den Punkt. Was ist falsch, zu fordern
dass kein Muslim juden- und israelfeindlich hetzt
Und auch kein Christ, kein Nazi, kein Kartoffelgründeutscher, keine Bintjekartoffel, kein Aluhut, kein Ruzze, kein Erdogan? Sollte es irgendjemandes Bürger-, gar Menschenrecht sein, juden- und israelfeindlich zu hetzen?



Mannmannmann, Du steigerst dich gerade in was hinein. Mach mal'n Spaziergang.
 

Bintje

Well-Known Member
Vor gut zwei Jahren habe ich einen Podcast zum Thema gehört, dort haben Landwirte und ihre Vertreter
ihre Situation detailliert geschildert.
Dort kam auch zur Sprache das immer mehr Höfe schließen müssen, die Bauern in Existenzängsten leben und
die Nerven blank liegen. (...)
Darauf wollte ich noch eingehen, komme aber erst am Wochenende oder später dazu.
Vorerst lies das mal, wenn du magst, ich fand's ganz interessant: https://archive.ph/0OW3e

"Aus wirtschaftlicher Sicht ging es den Bauern schon mal deutlich schlechter. Jahrelang galt das Motto »wachse oder weiche«: Wer seinen Betrieb nicht deutlich vergrößerte, musste ihn im Wettbewerb oft aufgeben. Gab es 2012 noch etwa 288.000 Betriebe, sank die Zahl bis 2022 auf rund 259.000. Der Trend hat sich jedoch abgeschwächt, zuletzt sank die Zahl der Betriebe nur noch um weniger als zwei Prozent pro Jahr.
Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass viele Höfe wieder ordentlich Gewinne eingefahren haben. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 konnten sie dem Bauernverband zufolge im Schnitt über 115.000 Euro einstreichen, satte 45 Prozent mehr als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr – dank hoher Weltmarktpreise für Agrarprodukte, aber auch Dank der teils üppigen Preissteigerungen für Lebensmittel im Supermarkt hierzulande. [...]"
 

EnRetard

Well-Known Member
Was daran ist falsch? An der moralischen Aufforderung, den Appell?
Die kollekive Inhaftnahme aller Muslime für das Fehlverhalten einzelner ist anmaßend, und weil von einem Nichtmuslim kommend, der noch dazu andeutet, dass Muslime Fremde sind und sie mit Ausweisung bedroht, rassistisch. Ignorant ist es außerdem, weil die Muslime kein homogener Block sind und nicht klar ist, wer dazu gehört. Und schließlich: Wenn es keine theologische Begründung für den Judenhass gibt, sind die angesprochenen Hetzer nur zufällig Muslime. Dann geht der "Appell", der keiner ist, sondern eine aufgebaute Drohkulisse, ins Leere. Aber wie schon gesagt, ich halte Musime nicht für die Hauptadressaten der habeckschen Rede, sondern Deutsche aus dem Milieu, aus dem die Grünen ihre Wählerstimmen schöpfen.
 
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