Die Ukraine in der Krise

EnRetard

Well-Known Member
Wir sind aber nicht die Ukraine und sollten uns m.E. hüten, uns die Interessen anderer Staaten - in diesem Fall nicht nur die der Ukraine - so sehr zu eigen zu machen, dass wir unsere eigenen Interessen darüber vergessen.
Ich finde es gar nicht so einfach zu entscheiden, was "unsere" Interessen sind und womit ihnen am meisten gedient ist. Du und @Msane scheint der Meinung zu sein, dass es in unserem Interesse ist, Putin nicht über Gebühr zu reizen. Andere sagen, es ist in unserem Interesse dafür zu sorgen, dass der ukrainische Staat als Puffer gegen den Expansionsdrang Putinrusslands erhalten bleibt.
 

Msane

Well-Known Member
Ich finde es gar nicht so einfach zu entscheiden, was "unsere" Interessen sind und womit ihnen am meisten gedient ist. Du und @Msane scheint der Meinung zu sein, dass es in unserem Interesse ist, Putin nicht über Gebühr zu reizen. Andere sagen, es ist in unserem Interesse dafür zu sorgen, dass der ukrainische Staat als Puffer gegen den Expansionsdrang Putinrusslands erhalten bleibt.

Ich habe sehr wohl Interesse daran das der ukrainische Staat erhalten bleibt, sehe aber nicht das weitere eskalatorische Schritte
notwendig sind um dieses Ziel zu erreichen.


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Bintje

Well-Known Member
Das Kilo matschige Tomaten oder mehr hatte ich eh schon einkalkuliert (geschenkt, über Leipzig scheint offenbar anhaltend die Sonne).
Aber den Vorwurf "putinesken Wordings" finde ich intellektuell enttäuschend unterkomplex. Wir sind hier nicht bei Lanz & Precht (falls doch, lasst es mich wissen). ;)

Was "unsere" Interessen sein könnten vor denen der anscheinend über alles geheiligten Ukraine? Das finde ich ziemlich einfach und überschaubar.
Dafür reichen schon Unterhaltungen mit Nachbar:innen. Oder Zuhören, das genügt manchmal auch schon.

Der angespannte Wohnungsmarkt ist zumindest hier schon lange ein Thema; jetzt aber gibt's für Otto und Liesel Normalbürger praktisch keine Wohnungen mehr, erst recht keine erschwinglichen. Kommunaler Wohnraum? De facto reserviert für Ukrainer:innen, von deren Vorzugsbehandlung andere Drittstaatler und/oder Biodeutsche nur träumen können. Weiter im Takt, demnächst sind die Sommerferien zu Ende: Es fehlt an DaZ-Lehrkräften, das wird auch im kommenden Jahr nicht anders sein, aber das einzige, was dem KuMi dazu einfällt: Das forcierte Anwerben von Unterstützungslehrkräften (w/m/d) für DaZ an allgemeinbildenden Schulen des Landes - die Ausschreibung erfolgt praktischerweise auch gleich auf Ukrainisch, weil bei Sprachkenntnissen neben muttersprachlichem Niveau Ukrainisch lediglich "grundlegende Kenntnisse der deutschen und/oder englischen Sprache" erforderlich sind.
Allen anderen mutet man weiterhin Deutsch auf mindestens C1-Niveau zu. Und so weiter und so fort. Was setzt denn das für bescheuerte Signale - ?!?

Haben Kinder aus anderen Drittstaaten und andere förderbedürftige Schüler:innen nicht ähnliche Rücksichtnahmen verdient? Das Gleiche bei der Anerkennung von Schul- und Universitätsabschlüssen (beziehungsweise fehlenden Abschlüssen) oder der exklusiv für ukrainische Schüler:innen reservierten Möglichkeit, sich vom Präsenzunterricht deutscher Schulen befreien zu lassen, um stattdessen am Online-Unterricht ukrainischer Schulen teilzunehmen. Von syrischen, irakischen, afghanischen oder z.B. auch eritreischen Kindern wird ungleich mehr Anpassung verlangt - aber mit welcher Berechtigung, welchem Kalkül schafft man ausgerechnet unter ohnehin schon Benachteiligten eine Zwei-Klassen-Gesellschaft !?
Weil die Ukrainer:innen angeblich wieder zurückgehen? Zumindest hier im Norden wollen viele das gar nicht. Kann man ihnen m.E. auch nicht verargen, wer will schon in ein kaputtes Land? Das gilt aber auch für andere, obwohl die gute Fancy Laser ja ihre eigenen Ideen hat.

Ihr merkt, ich könnte mich aufregen, aber m.E. geht es um die durch diesen Krieg zusätzlich gezüchteten gesellschaftlichen Verteilungskämpfe um knappe Ressourcen wie z.B. gute Bildungschancen und soziale Durchlässigkeit (Deutschland steht, dezent gesagt, eh nicht an der Spitze ..). Des weiteren relevant: Ein funktionierendes Gemeinwesen in Gestalt beispielsweise ausreichenden Wohnraums, bezahlbarer Mieten, Pflegekosten, Energie- und Lebensmittelpreise. Insbesondere im sozialen Wohnungsbau könnte und müsste man m.E. sehr viel mehr machen, wenn Bauen nicht so irrwitzig teuer geworden wäre: Nicht nur wegen der länglich verschleppten und überfälligen Energiewende, sondern wegen der kriegsbedingten höheren Energie- und vor allem auch Materialpreise.


Das mag für euch alles esoterisch oder putinesk klingen in Zeiten, in denen "man" die Solidarität mit der Ukraine über alles hängt, Kriegswirtschaft verlangt und gar nicht bedenkt, dass dann selbst so was Banales wie Stickstoff bei landwirtschaftlichen Düngemitteln fehlen oder unbezahlbar werden kann, wenn er für Sprengstoff verballert wird. Dann aber nicht wundern, wenn Brot teurer wird, weil es zwangsläufig weniger Getreide gibt usw.

Um es kurz zu machen: Ich bin schlicht der Meinung, dass man gut daran tut, erstmal den eigenen Garten zu bestellen, bevor man den von anderen aus überbordendem Ehrgeiz für die nächste Bundesgartenschau anmeldet. Sonst sind die politischen Folgen irgendwann einfach nur hausgemacht.

Und die einzigen, die sich dann riesig darüber freuen dürften, sind - richtig geraten - Putins Freunde von der Nicht-Alternative.

ps Ach so, ja, bevor ich alle nicht eingebetteten Hintergrundlinks wieder wegklicke: Das hier kann man sich auch mal geben. Not so funny.
 
Zuletzt bearbeitet:

Alubehütet

Well-Known Member
@Bintje Was Du anführst, das ist meines Erachtens eine ganz andere Diskussion ... nein, gleich mehrere. Das Fatalste, finde ich, ist, daß, was derzeit geschieht, die ganzen Integrationsbemühungen seit 2015/16 zutiefst beschädigt. Wir haben in Wuppertal irgend ein chronisches Problem mit zu wenig Stellen in den städtischen Behörden, und mit zu langen Warteschlangen; nach massiven Bürgerprotesten wurde das verschoben vom Einwohnermeldeamt zur Ausländerbehörde. Da standen, Stand letzten Sommer, Ausländer bis zu sechs Stunden an, ungünstigerweise auch noch auf der vierspurigen Talachse ohne Schatten (überhaupt ohne Wetterschutz, draußen, auf dem Bürgersteig).

Und konnten dann zusehen, wie Ukrainer an ihnen vorbei vorgelassen wurden.
Wenn sie bislang dankbar waren, hier überhaupt aufgenommen worden zu sein, und, naja, merkwürdiges Land, bekloppte Bürokratie, vielleicht nehmen sie auch zu viel persönlich, und die Deutschen meinen es in Wirklichkeit gar nicht so– Doch. Jetzt erfahren sie sehr, sehr bitter, daß eben doch viel, viel mehr möglich gewesen wäre, und daß sie doch nur Flüchtlinge zweiter Klasse sind – Und bleiben. (Nebenbei frustriert es auch die deutschen Flüchtlings- undIntegrationshelfer.)



Aber wenn es grundsätzlich darum geht, den Zuzug von Ukrainern zu begrenzen – Warum eigentlich? Die haben ein ganz gutes Universitätswesen, da sind viele Fachleute dabei, und wenn sie ihre Kinder nicht bei uns präsent, sondern digital beschulen, dann zuerst, weil sie es KÖNNEN (anders als wir)! –, dann liegt schlicht im ureigensten deutschen Interesse, daß die Ukraine diesen verdammten Krieg gewinnt, und zwar schnell.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Aber den Vorwurf "putinesken Wordings" finde ich intellektuell enttäuschend unterkomplex.
Wir treiben die Spirale nicht hoch. Da bist Du schon reingefallen auf putineskes Wording. Ruzzland treibt die Spirale hoch.
Finde ich nicht. Wird im angeführten Thread, finde ich, ganz gut begründet. Selbst wenn deutsche Tornados Streubomben ausbrächten über die Zivilbevölkerungen von Moskau und St. Petersburg, wäre das ... ein Kriegsverbrechen, aber immer noch keine Eskalation von unserer Seite. Wenn dieses schräge Wort von der ruzzischen Eskalationsdominanz irgend einen Sinn hat, dann hier. Den Ukrainern Streubomben zur Verfügung stellen zur Verteidigung ausschließlich eigenem Territoriums gegen ausschließlich militärische Ziele, ist keine Eskalation unsererseits, sondern ein Gleichziehen, und zwar ein ziemlich schlappes. Mit dem Einsatz übrigens weitaus fehlerhafterer Streubomben mit einem Vielfachen an Blindgängern haben die Ruzzen zuvor schon eskaliert. Wir ziehen nur nach.

Es mag Argumente geben gegen die Munitionierung der Ukrainer mit Streubomben, mit weitreichenden autonomen Raketen. Das von einer angeblichen Eskalation unsererseits ist keines.
 

Msane

Well-Known Member
Dann mal was konkreter - Ich bin gegen die Tauruslieferung, weil dann die Kertschbrücke zur Krim nicht mehr steht.

Dafür eignet sich der Taurus von allen Marschflugkörpern am besten, zu diesem Zweck wollen die das haben.

Das die Ukrainer das haben wollen ist klar, die Sache ist aber zu brisant, selbst die Amerikaner lassen die Finger davon.

Es ist das gute Recht der Ukraine diese Brücke welche als Nachschubroute dient zu zerstören.
Dafür müssen sie dann aber ihre eigenen Mittel verwenden.


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Alubehütet

Well-Known Member
dann liegt schlicht im ureigensten deutschen Interesse, daß die Ukraine diesen verdammten Krieg gewinnt, und zwar schnell.
Ah ja, schreibst Du eigentlich auch selbst:
Weil die Ukrainer:innen angeblich wieder zurückgehen? Zumindest hier im Norden wollen viele das gar nicht. Kann man ihnen m.E. auch nicht verargen, wer will schon in ein kaputtes Land?
 

Alubehütet

Well-Known Member
Dann mal was konkreter - Ich bin gegen die Tauruslieferung, weil dann die Kertschbrücke zur Krim nicht mehr steht.
Ok. Das wäre für mich genau der Grund, das Ding zu liefern. Wenn es der Ukraine gelänge, die Krim zurückzuerobern, das könnte in so vielem ein Gamechanger sein. Dazu sollte die Brücke bis zum Winter kaputt sein. Und nicht nur ein bißchen. Ich sehe nicht, warum das nicht geschehen sollte mit der Taurus.

Aber davon ab. Die Ukraine wird sich an alle Bedingungen halten müssen, die wir ihnen diktieren. Weil sie nämlich angewiesen sind auf Nachschub von uns. Wenn wir denen sagen "Aber bitte nicht die Kertschbrücke damit kaputt machen, ja?", dann werden sie das nicht tun. Sich das nicht leisten können, zu ignorieren. (Weswegen diese eigenartige Software-Limitier-Programmierdiskussion auch so ein Ablenkungsmanöver ist.)
 
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